Die Pro Tour erreicht ihre Ziele nicht!

Beachvolleyball - International

Die FIVB World Tour ist Geschichte, die „Pro Tour“ ist da!

In Tlaxcala, Mexiko startet ab 16.03. die erste Ausgabe des neuen Tourformats. Ein Start unter guten Vorzeichen sieht allerdings anders aus. Die Umstrukturierung der Tour ist ein gewagtes Projekt und fällt inmitten von Pandemie und Krieg in eine höchst schwierige Zeit, um internationale Großveranstaltungen auszurichten.  Die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio und der damit verkürzte Olympiazyklus sorgt ebenfalls für einen erhöhten Druck auf Volleyballworld, ein funktionierendes Konstrukt zu etablieren. Denn nur mit einer soliden Tour kann eine faire Olympiaqualifikation stattfinden. Abseits von der allseits wichtig gehandelten Olympiaqualifikation geht es auch um die Existenzen vieler Teams, die sich nur über Preisgelder und Präsentationsmöglichkeiten finanzieren können. Zwar landen diese Teams nicht auf der Straße, wenn weniger Turniere stattfinden, müssten aber ihren „Job“ als professionelle Beachvolleyballer:innen aufgeben und sich umorientieren. Ein solcher Exodus wäre fatal für den Sport.

Was war geplant?

So viel zu den Rahmenbedingungen, in denen die neue Tour sich wiederfindet (die auch schon bei der Bekanntgabe der Umstrukturierung herrschten). Doch was hatte Volleyballworld denn eigentlich geplant? (Die folgenden Informationen stammen aus der ersten Präsentation, die den Athlet:innen im September 2021 zugeschickt wurde)

Die allgemeine Struktur ist den meisten Menschen bekannt: Ein 3-Gleisiges Format, im Gegensatz zu den vorherigen 1-5 Sternen.

Die Futures, vergleichbar mit 1-2 Sterne-Turnieren. Insgesamt 32 Teams und die Chance für eine große Anzahl von Teams sich International zu präsentieren und weiterzuentwickeln. Außerdem geringe Hürden für Ausrichter durch niedriges Preisgeld (5.000$ pro Geschlecht) und keine Verpflichtung zum Bereitstellen von Hotels etc. Für die erste Saison waren hier 25-30 Turniere angesetzt!

Die Challengers, vergleichbar mit den 3-4 Sterne-Turnieren. Insgesamt 56 Teams bekommen die Möglichkeit um die begehrten Plätze der Elite 16 Turniere zu kämpfen. Wer in der 2. Liga performt hat die Chance auf die erste Liga. Solides Preisgeld (mind. 75.000$ pro Geschlecht) ist bereits hier vorhanden. Allerdings gab es im Jahr 2021 bei den 4-Sterne Turnieren mit 150.000$ mal eben das Doppelte an Preisgeld. Eine Erhöhung des Preisgelds ist jedem Veranstalter erlaubt und für die gesamte Tour für 2024 vertraglich festgeschrieben. Hier war ein Minimum von 15 Turnieren für 2022 vorgesehen.

Die Elite 16, am ehesten mit der Major Series zu vergleichen, aber eigentlich ein komplett neues Konzept im Beachvolleyball. Die besten 15 Teams (+ 1 Wildcard) messen sich miteinander, medienwirksam aufbereitet. Die erste Liga soll als Showcase der Besten dienen. Um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren und den anderen Teams als großes Ziel vor Augen zu führen. Große Bühne und hohes Preisgeld (150.000$ pro Geschlecht) sollen locken. Allerdings lohnt auch hier der Vergleich mit vorherigen Turnieren: Die letzten 5-Sterne-Turniere gab es 2019. Preisgeld 300.000$ pro Geschlecht, also wieder eine Halbierung bei der neuen Serie. Für 2022 waren mindestens 15 Turniere geplant.

Was findet tatsächlich statt? 

Zu Recht gab es Anfang des Jahres, als die ersten beiden Versionen des Kalenders veröffentlicht waren, einen Aufschrei der Athletenschaft. Angetrieben durch einen Post von Quentin Métral äußerten sich viele der betroffenen Athlet:innen auf Instagram und gaben ihrem Frust Luft. Warum?

2 große Probleme stellten sich beim Anblick auf den Kalender: die Menge der Events und die Verteilung der Turniere über das Jahr. Der aktuelle Kalender unterscheidet sich nur wenig von der Version, die die Athlet:innen zum Aufschrei brachte. Deshalb beziehe ich mich im Folgenden auf die aktuelle Version. Der erste Blick offenbart bereits, dass in den oberen beiden Turnierkategorien deutlich weniger Turniere geplant sind, als ursprünglich vorgesehen. In der Elite 16 Kategorie sollen 2022 7 Turniere sicher stattfinden, 2 weitere sind unbestätigt. Die Challenger Serie schafft es auf 8 Turniere, 3 weitere stehen noch nicht fest. Offensichtlich erreichen die Veranstalter nicht im Ansatz ihre Ziele und können nur knapp die Hälfte der versprochenen Events anbieten. Sie bieten also auch nur die Hälfte der Preisgeldmöglichkeiten für die Athlet:innen.

Die größere Problematik stellt sich allerdings bei der Verteilung der Turniere, insbesondere der Challenger, dar. Im Zeitraum von Mai bis September, der Hauptsaison für Beachvolleyball, finden 3 bestätigte Challenger statt. In den ersten Versionen der Planungen stand in diesem Zeitraum kein einziges Turnier. Dies beraubt einem großen Teil der Teams der Möglichkeit, im Sommer ihrem Beruf nachzugehen. Doch auch das ganze System steht auf dem Spiel. Die Pro Tour benötigt wie jede andere Sportliga eine gewisse Durchlässigkeit. Diese sollte durch ein angepasstes Punktesystem gewährleistet werden. Dadurch sollte es den Teams möglich werden sich auf die prestigeträchtigen Elite 16 Turniere zu spielen. Doch ein solcher Aufstieg in die erste Liga funktioniert nur, wenn auch Punkte gesammelt werden können. Finden keine Turniere statt, ist faktisch keine Durchlässigkeit gegeben. Zur Erinnerung, bei einem Challenger starten 56 Teams. All diese Teams sind vom „Challenger Loch“ direkt betroffen und laufen Gefahr, wegen Perspektivlosigkeit dem professionellen Beachvolleyball den Rücken zu kehren. Um dennoch etwas Durchlässigkeit herzustellen wurde auf Drängen der Athlet:innen bei den Elite 16 Turnieren ein Quali hinzugefügt, um mehr Teams eine Startmöglichkeit zu bieten. Eine richtige Entscheidung und ein Zeichen an die Spieler:innen, dass sie gehört werden.

Ein Wort zu den Futures. Die unterste Kategorie zählt mittlerweile 19 Events und es werden stetig neue zum Kalender hinzugefügt. Hier ist Volleyballworld auf einem guten Weg, ihr Ziel von 25-30 Turnieren tatsächlich zu erreichen.

Wie ist der Stand in Tlaxcala?

Ein Blick in die Meldeliste des Challenger offenbart die Auswirkungen einer weiteren Veränderung. Ab diesem Jahr wurde die Country Quota vollständig abgeschafft. Das bedeutet, dass keine Vorgaben mehr bestehen, wie viele Teams aus dem gleichen Land bei einem Turnier starten dürfen. Bei der Frauenkonkurrenz ist der Effekt dieser Änderung besonders heftig. Dort finden sich 5 brasilianische- und 4 US Teams direkt im Hauptfeld, noch mehr könnten aus der Quali dazukommen. Nur 4 europäische Teams sind direkt im Maindraw. Sportlich fair ist dies sicher, denn die Teams mit den meisten Punkten auch starten dürfen. Allerdings kann die Attraktivität und Popularität des Sports unter der Übermacht dieser Nationen leiden.

Die Spiele der diesjährigen Tour werden alle hochwertig produziert und übertragen. Dieser Wandel von der einzelnen verschwommenen Überwachungskamera ist sehr willkommen, hat aber einen Preis. Der Stream ist nicht mehr frei zugänglich, sondern hinter einer Paywall auf volleyballworld.tv versteckt. Dass dies dabei hilft den Sport größer zu machen und sein Publikum zu vergrößern, bezweifle ich stark. Zusätzlich sollen allerdings Rechte auch an andere Übertragungsanstalten verkauft werden, um einer breiteren Öffentlichkeit Zugang zu geben.

 

Die Pro Tour startet unter schwierigen Bedingungen und ist weit entfernt von den gesteckten Zielen. Sollte sich dies im nächsten Jahr nicht ändern, steht der internationale Beachvolleyball vor einer existenziellen Krise. Das Heft des Handelns liegt bei Volleyballworld und den Athlet:innen. Alles was wir in diesem Jahr tun können, ist weiter interessiert zu bleiben und nicht den Glauben zu verlieren, dass etwas Gutes aus diesem Wandel entstehen kann. Die Teams sollten das Gefühl bekommen, dass ihr Sport etwas wert ist. So kommen wir als gesamte Beachvolleyball-Community durch diesen Umbruch.

 

Bild: Volleyballworld

 

MB

 

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