Lasst die russischen Teams nicht allein!

Beachvolleyball

Disclaimer: Dieser Artikel handelt von einer theoretischen Initiative, die russischen Athlet:innen, die sich gegen den Krieg gegen die Ukraine positionieren, zu kontaktieren und ihnen bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung ist selbstverständlich unvergleichbar höher! Unsere Anstrengungen sollten in erster Linie der Hilfe dieser Menschen gelten. 

Angriffskrieg Russlands

Am 24.02.2022 marschierte Russland unter Vorwänden in einem großangelegten Angriffskrieg in die Ukraine ein. Die Reaktionen der westlichen Gemeinschaft sind in ihrer Höhe beispiellos. Auf wirtschaftliche Sanktionen folgten auch Reaktionen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen. So auch im Sport. Zunächst wurden nacheinander sportliche Großveranstaltungen in Russland abgesagt: Champions League Finale, Großer Preis von Russland, etwas später auch die Volleyball-WM.

Nach der Absage der Volleyball-WM und der Volleyball Nation’s League in Russland reagierte der internationale Volleyballverband FIVB noch schärfer. Er schloss alle Russischen und Belarussischen Vereine und Nationalmannschaften von internationalen Wettbewerben aus. Der europäische Verband CEV tat es dem Mutterverband gleich. Der Ausschluss gilt für alle Wettbewerbe und Athlet:innen unter dem Dach der Verbände, also auch für den Beachvolleyball. Dies ist ein Beachvolleyball-Blog, wir konzentrieren uns also auf die Schicksale der Russischen Beachvolleyballer:innen.

Der Ausschluss

Zunächst zum Ausschluss selbst: Er war alternativlos! Jeder russische Sieg im Sport kann zu Propagandazwecken missbraucht werden. Diese Bühne darf dem russischen Neo-Zaren Putin in Kriegszeiten nicht geboten werden. Selbstverständlich leiden darunter als Erstes die Sportler:innen, dazu aber später mehr. Nach jahrelangem „beide Augen zudrücken“ der namhaften Weltverbände, insbesondere IOC, FIFA und UEFA, bei Dopingverstößen und Menschenrechtsverletzungen, ist eine harte Reaktion auf einen solchen Völkerrechtsbruch fast schon überraschend (aber sehr willkommen). Nicht zuletzt haben neu gebildete Athletenvertretungen, wie Athleten Deutschland e.V., erheblich dazu beigetragen, dass Verbandsfunktionäre es mit immer mündigeren und lauteren Athlet:innen zu tun bekommen. Der Druck der Athlet:innen erzeugt auch im Sport eine Zeitenwende und hat das IPC (International Paralympics Committee) zum Ausschluss Russlands und Belarus von den Paralympischen Spielen in Peking bewegt. Auch die Beachvolleyballer:innen haben schnell reagiert und sich hinter diesem Brief von Ondrej Perusic versammelt. Das lässt hoffen, dass in Zukunft auf Berichte über Weltverbände nicht mehr ausschließlich mit Kopfschütteln reagiert werden muss. Was passiert, wenn russische Athlet:innen weiter an Wettbewerben teilnehmen, haben wir gerade beim Gerätturn-Weltcup in Doha erlebt:

Der 21-jährige Turner Ivan Kuliak trägt bei der Siegerehrung das Zeichen der russischen Invasionskräfte „Z“ auf der Brust. Mit ihm auf dem Podium: Illia Kovtun aus der Ukraine. Solch eine Instrumentalisierung darf nicht hingenommen und auch nicht riskiert werden.

Russische Beachvolleyballer:innen sind Weltspitze

Die Situation im Beachvolleyball ist eine Spezielle. Russische Teams im Herren- und Damenbereich gehören seit Jahren zu Weltspitze (In Belarus spielt Beachvolleyball eine kleinere Rolle, deswegen werde ich die belarussischen Athlet:innen außen vor lassen).

Am präsentesten sind sicher die amtierenden Weltmeister Krasilnikov/Stoyanovskiy. Sie bezwangen vor Tausenden von Zuschauern in Hamburg 2019 die Lokalmatadoren Thole/Wickler und brannten sich so in das Gedächtnis vieler Zuschauer:innen ein. Doch bei den Herren sind zwei weitere russische Teams in der erweiterten Weltspitze zu finden: Semenov/Leshukov (Rang 8, FIVB) und Liamin/Myskiv (Rang 22, FIVB).

Auch bei den Damen finden sich einige russische Paare in der Spitze der Liste wieder. Im Vergleich zu den Männerteams finden sich hier eher aufstrebende junge Athletinnen. Bei den Herren bewegen sich die meisten der oben genannten Spieler schon lange auf internationalen Top-Niveau. Zuletzt erspielten Makroguzova/Kholomina (Rang 4, FIVB) sich einen 4. Platz bei den World Tour Finals im Oktober, verloren im Halbfinale gegen Borger/Sude. Dabizha/Rudykh bewgen sich auf Rang 21 und auf den Jugendmeisterschaften sorgen junge Athletinnen wie Marija Bocharova für Aufsehen.

Wo ist das Problem? 

Wie bereits erwähnt, der Ausschluss Russlands ist alternativlos und richtig, mindestens für die Dauer des Angriffskriegs in der Ukraine. Die Olympischen Spiele 2021 und 2022 haben uns vor Augen geführt, was ein Start unter „neutraler“ Flagge zu bedeuten hat. ROC und die russischen Nationalfarben auf dem Trikot. Ein lächerlicher Versuch des IOC es beiden Seiten recht zu machen und keinerlei echte Konsequenz für die russischen Dopingsünder.

Doch was passiert nun mit den russischen Sportler:innen, die jahrelang ein selbstverständlicher Teil unserer Beachvolleyballfamilie waren, die von Zuschauer:innen lieb gewonnen, die mit anderen Spieler:innen Freundschaften pflegen? Natürlich sind von jedem Ausschluss oder Boykott im Sport zuerst die Athlet:innen selbst betroffen. Das macht ihn nicht weniger notwendig, das Dilemma, vor dem insbesondere der Beachvolleyball steht, zeigt sich wie folgt:

Die Weltmeister von 2019 Oleg Stoyanovkiy und Slava Krasilnikov positionierten sich beide unmittelbar nach der russischen Invasion gegen den Krieg. Auf ihren jeweiligen Instagram-Kanälen posteten beide ein Statement im Sinne von „No War“ auf Englisch und Russisch. Krasilnikov löschte seinen Post nach 1-2 Tagen, Stoyanovskiys war nur etwa eine Woche auf Instagram zu finden. Die Postings spiegeln klar die Meinung des Teams wider, die viele russiche Menschen teilen. Die Löschung allerdings ist besorgniserregend. Haben sie nur negative Rückmeldungen aus Russland bekommen, oder müssen sie um ihre Sicherheit fürchten? Wir wissen es nicht! Die Kriminalisierung von „Fake News“ aus der Sicht des Kremls ist vorangeschritten und bringt all jene in Gefahr, die der Propaganda Putins etwas entgegensetzen.

Müssen wir etwas tun?

Diesen Tweet setzte ich am 24. Februar, am ersten Tag des Krieges, ab. Und ich bleibe dabei. Die FIVB, ihre Athletes Commission und die IBVPA (International Beachvolleyball Player’s Association) müssen ihre Athlet:innen schützen! Ein Start unter (wirklich) neutraler Flagge muss ermöglicht werden. Früher oder später. Natürlich ist dies nicht einfach, bedarf großer Opfer der Athlet:innen selbst und kann nur unter speziellen Umständen stattfinden.

Hilfe anbieten, sofort! 

Zunächst muss Kontakt aufgenommen werden, nicht mit dem russischen Volleyballverband, nicht dem ROC, sondern mit den Spieler:innen direkt. Kanäle gibt es dafür genügend. Am besten bereits vor einer Woche, denn die Ausreise aus Russland ist schon jetzt deutlich erschwert. Eine Voraussetzung für ein Hilfsangebot der FIVB, oder wem auch immer, ist eine klare Distanzierung von Putins aggressiver Politik und den Völkerrechtsbrüchen in der Ukraine. Nur dann kann ein neutraler Start ermöglicht werden. Es hängt jedoch noch deutlich mehr daran, sollten sich die Teams dazu entscheiden, diesen Weg zu gehen.

Die Spieler:innen müssten selbst entscheiden, inwieweit sie sich in Gefahr begeben. Ein Start unter neutraler Flagge bei gleichzeitiger Distanzierung von Putins Politik würde wahrscheinlich dazu führen, dass die Athlet:innen und vielleicht sogar deren Familien in Russland nicht mehr in Sicherheit leben können. Hier kommt der Verband ins Spiel! Er muss seine Sportler:innen schützen. Und mit allen Mitteln unterstützen. Sichere Ausreise, unbürokratische Unterbringung, Trainingsmöglichkeiten sind nur einige der benötigten Dinge.

Ich bin der Meinung man ist es diesen Spieler:innen schuldig, die wir immer zur Beachvolleyballfamilie gezählt haben, einen Ausweg zu bieten! Vielleicht sind sie auf unsere Hilfe angewiesen. Vielleicht sind sie es auch nicht, vielleicht wollen sie unsere Hilfe nicht, aber man sollte es dem internationalen Beachvolleyball nicht vorhalten können, es nicht versucht zu haben.

Auch die Athletenvertretungen sind gefragt! Die Athletes Commission und die IBVPA können Druck erzeugen und einen Unterschied machen. Die AC der FIVB arbeite laut internen Quellen bereits daran, Kontakt aufzunehmen. Der IBVPA seien in solchen Dingen die Hände gebunden, heißt es. Da muss mehr kommen. Von Athletes Commission, IBVPA, FIVB, CEV und auch von den Spielerinnen und Spielern.

Слава Україні 🇺🇦

Foto: Red Bull Content Pool

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